Schreuer’s Kochschule in der Presse (Auswahl)

Drei-Gänge-Menü im Schaufenster

Von Simone Wagenhaus

Manche Passanten schauen nur irritiert, andere bleiben verwundert stehen. Es ist Freitagabend, die Geschäfte sind längst geschlossen. Nicht aber die Küchenwerkstatt Schreuer in der Gerningstr.4. Dort arbeiten ein Pfarrer, eine Bankerin, ein Physiker, eine Sozialpädagogin und ein Vertreter auf Hochtouren. Zu ihrem eigenen Vergnügen. Denn: An diesem Abend wird weder verkauft noch beraten. Es wird gekocht, und zwar ein Drei-Gänge-Menü vom Feinsten: Selbstgemachte Hochzeitsnudeln mit Tomaten-Basilikum-Soße, Spargel mit Schinkenvinaigrette, Pralinen-Eisparfeit mit Marzipan-Sabayon und als Genuss für zwischendurch Pizzabrot. Dazu eingeladen hat Küchenwerkstatt-Chef Jürgen Schreuer unter dem Motto: Kochen mit Kunden.

Die Idee dazu entstand bereits vor drei Jahren. "Wir sind nur ein kleines Geschäft, das von großen Möbelhäusern eingekreist ist. Da mussten wir uns etwas Besonderes einfallen lassen, um auf uns aufmerksam zu machen", sagt Jürgen Schreuer, der auch Stadtbezirksvorsteher für Heddernheim ist. Und so wird seit einem Jahr, einmal im Monat, gekocht und gebacken. "Wir können nicht günstiger sein als die großen Einrichtungshäuser. Aber wir können zeigen, dass wir kompetenter sind. Kochen mit Kunden ist ein Weg." Und so ist es auch nicht verwunderlich wenn sich der Umsatz der Küchenwerkstatt antizyklisch entwickelte: Er steigt. Doch eines stellt Schreuer ganz deutlich heraus: "Das ist keine Verkaufsveranstaltung. Ich will vermitteln, dass Kochen schön ist." Und einen Nebeneffekt hat der Abend auch: Menschen, die nie oder nur wenig kochen, entdecken vielleicht ihren Spaß daran. Und diejenigen, die für ihr Leben gerne kochen, versuchen sich an neuen Rezepten.

Jeder muss sich für eine Arbeit entscheiden, sei es nun Spargel schälen, Zwiebeln hacken, Tomaten enthäuten oder - was wiederum etwas für Fortgeschrittene ist - ein Pralinen-Eisparfait zuzubereiten und nach Bildvorlage im Kochbuch anrichten. Die "Kunden" merken schnell: Kochen ist kommunikativ, es wird über Gott und die Welt geredet. Kleinere Fehler - oh, die Schalotten gehören ja gar nicht in die Majonaise; sind nicht zu viele Zwiebeln in der Soße? - werden gemeinsam behoben oder ganz schnell vertuscht. Und ganz nebenbei können sie Herde, Dampfgarer und Backöfen der neuesten Generation auf ihre Tauglichkeit prüfen. Und wenn Fragen gestellt werden, ist deutlich zu merken, Schreuer weiß, wovon er spricht. Er kennt alle seine Geräte.

Seit 20 Jahren betreibt er den Küchenfachhandel, seit zehn Jahren ist der Geschäftssitz in der Gerningstrasse. Zudem hat er seit 18 Jahren eine Schreinerei, insgesamt beschäftigt er sieben Mitarbeiter. Und Schreuers Firma ist bekannt, sein Kundenstamm reicht bis nach Hamburg, Berlin und Stuttgart. Und auch seine Aktion "Kochen mit Kunden" spricht sich herum. "Neulich war eine Dame aus Bingen mit dabei. Sie hatte von ihrer Tochter erfahren, dass ich gemeinsam mit Kunden koche und wollte unbedingt mitmachen".

Gemeinsam wird gekocht, gemeinsam wird gegessen - und zwar mit Stil. Der Tisch ist mit viel Liebe zum Detail dekoriert, der Zeitgeist ein wenig zurückgedreht. "Bei uns sind Küche und Esszimmer ein Kommunikations-Ort, der von vielen Menschen als solcher gar nicht mehr wahrgenommen wird. Heute geht man doch lieber in die Kneipe!, sagt Jürgen Schreuer. Auch er geht gerne Essen, doch viel lieber probiert er neue Rezepte aus: in der heimischen Küche.
So ist es wenig verwunderlich, dass im vergangenen Jahr eine regelrechte Rezeptbörse rund um die Küchenwerkstatt entwickelt hat. "Ab und zu bekomme ich ein Fax von einem Kunden mit einem Rezept und dem Tipp, das musst du unbedingt mal ausprobieren." Übrigens: Bei Herrn Schreuer wird gemütlich gekocht. Zwischen den Gängen liegen lange Pausen, der Nachtisch wird meist erst nach Mitternacht verzehrt. Und danach ist der Abend noch lange nicht beendet.

So kommt es häufig vor, dass Menschen verwundert vor der Küchenwerkstatt stehen bleiben und irritiert auf die Personen, die im Schaufenster an der Tafel sitzen, schauen. Vielleicht ärgern sie sich dann, dass ihre Kneipe schon geschlossen hat, während hier noch getrunken, gelacht und lebhaft über Gott und die Welt geschwätzt wird.

Frankfurter Neue Presse am 21. Mai 2002